Staffel 1: „Was kann denn ein Headhunter besser als meine Personalabteilung…?“ Die entscheidenden 5 Punkte.

Dr. Karl Friedrich:

Wir sind Mittelständler, gut unterwegs, Weltmarktführer in unserem Spezialsegment, bei uns auf dem Land gibt es kaum Fluktuation, unsere Positionen konnten wir in der Vergangenheit gut von innen heraus besetzen. Im Herbst steht nun die Nachfolge des Kaufmännischen Leiters an. Eine interne Lösung sehe ich nicht wirklich, aber wozu brauchen wir dafür einen teuren Berater, was kann der denn besser als mein Personaler?

 

Marcel Mayer:

Die Personalabteilung kann den Rekrutierungsprozess in weiten Teilen steuern. Sie ist unverzichtbar für eine erfolgreiche Suche. Allerdings kann sie ihre Wirkung durch einen externen Headhunter in vielen Fällen deutlich erhöhen – d.h. Ziel gerichteter, effizienter und schneller machen. Wieso? Nun, da spielen 5 Punkte eine zentrale Rolle:

 

#1 Anonymität und Diskretion.

Der Personalberater ist ein externer Unterstützer und damit nicht Teil des „Systems“. Er kann daher objektiver und unabhängiger agieren. Oft ist es dem Personaler aus übergeordneten Überlegungen heraus auch nicht möglich, Mitarbeiter des Wettbewerbers direkt anzusprechen. Wir als Externe können dies – allerdings natürlich mit der gebotenen Vorsicht und Professionalität unserer Search Mitarbeiter. Anspruchsvolle Kandidaten legen außerdem besonderen Wert darauf, sich diskret über eine Option informieren zu können, ohne sich bereits als im Markt befindlich zu outen. So ist es für beide Seiten vorteilhaft, zunächst einen „Mittler“ einzuschalten. Anstatt seine Unterlagen direkt an eine Firma zu schicken, kann der Kandidat diese vertraulich einem Personalberater in treuhänderische Hände geben. Stellen Sie sich vor, Sie sind in verantwortlicher Position beim Wettbewerber, dann wollen Sie sich gegenüber Ihrem Marktbegleiter natürlich nicht zu früh outen. Erst wenn der Kandidat und ich gemeinsam zum Schluss kommen, dass das wirklich gut passen könnte, ist dieser bereit, uns zu autorisieren, seine Identität – selbstverständlich unter Wahrung des Datenschutzes – unserem Mandanten gegenüber offenzulegen.

 

#2 Kapazität.

Ein weiterer Grund liegt in den häufig begrenzten Ressourcen der Personalabteilung. Passgenaue Lösungen im Markt zu finden ist eine komplexe Herausforderung. Der Profilierungs-, Identifizierungs- und Auswahlprozess verläuft über mehrere Auswahlstufen und kann sehr zeitintensiv sein. Wir sehen bei anspruchsvollen Mandaten, dass nicht selten 200 bis 300 Kontakte im Markt notwendig sind, um eine ausreichende Zahl geeigneter Kandidaten zu identifizieren. Entsprechend viele Personen müssen anschließend kontaktiert und im weiteren Verlauf angesprochen werden, um die drei bis fünf fachlich und persönlich zum Anforderungsprofil wirklich passenden Kandidaten für den Kunden herauszufiltern.

So haben wir beispielsweise im Rahmen der Suche nach einem hochrangigen Qualitätsmanager in der Medizintechnik, trotz des attraktiven Standorts in der Nähe einer deutschen Großstadt, fast 500 Kontakte im Markt gehabt, um letztendlich den einen Kandidaten zu finden, zu gewinnen und dann auch platzieren zu können. Diese Erfahrung eines „Kampfs um Talente“ ist in den engen Märkten für spezielle Expertenfunktionen keine Seltenheit mehr. Glücklicherweise werden nicht nur die berühmten „Stecknadeln im Heuhaufen“ gesucht.

 

#3 Kompetenz.

Darüber hinaus bringt mancher Headhunter auch spezielle Kompetenzen aus seinen beruflichen Vorerfahrungen mit, die der interne Personaler in aller Regel nicht aufweisen kann. So ist die eigene Managementerfahrung in verschiedenen Branchen und Funktionen, in unterschiedlichen Situationen und ggf. auch im Ausland erworbenes interkulturelles Businessverständnis sehr hilfreich, wenn man die fachliche Eignung des Kandidaten und seinen Erfahrungshintergrund fundiert beurteilen soll. Hochkaräter, insbesondere, wenn sie nicht aktiv auf Jobsuche sind, wollen bereits im ersten Kontakt wertschätzend und professionell, d.h. auf Augenhöhe und in ihrer Fachsprache angesprochen werden. Meine eigene Managementvergangenheit, meine systemische Ausbildung und langjährige Coaching-Erfahrung helfen mir da schon sehr. Wer kritische Unternehmenssituationen, wie Umbrüche im Zuge einer Unternehmernachfolge, einer Restrukturierung oder Verlagerung von Produktionsteilen, aus eigener Managementpraxis kennt, wird sich leichter in den spezifischen Unternehmenskontext hineindenken können. Das ist aber wichtig, um den nachhaltigen Erfolg einer Besetzung sicherzustellen. In Großunternehmen mit funktionierenden HR- Businesspartner Modellen treffen wir diese Kompetenzen noch am ehesten an. Aber gerade für den Mittelstand ist das Vorhalten all dieser Erfahrungen und Kenntnisse in der eigenen Personalabteilung viel zu aufwändig und teuer. Das gilt auch für den Search, d.h. die Identifikation und Direktansprache. Während sich Konzerne heute schon speziell geschulte Searcher leisten, die versuchen, genau zum Profil passende Zielpersonen insbesondere über soziale Netzwerke anzusprechen, ist dieser „Beschaffungsweg“ für Mittelständler in der Regel verschlossen. Hier kommen wir ins Spiel.  Unser Search Team nutzt für den Ident neben den einschlägigen Plattformen wie LinkedIn, Xing oder Experteer unsere bestehenden Kontakte im Markt sowie persönliche Empfehlungen und führt intensive Datenbank-Recherchen durch. Das ist richtige Detektivarbeit! Und dann kommt die professionelle und seriöse Direktansprache der Zielpersonen. Da muss alles stimmen, schließlich ist die Ansprache der erste Eindruck, also die „Visitenkarte“ – nicht nur von uns als Berater, sondern auch unseres Mandanten, schließlich hat der uns ja exklusiv beauftragt. Bei der ersten Ansprache gilt es daher, Vertrauen aufzubauen und neugierig zu machen – der erste „Schuss“ muss sitzen, will man es nicht vergeigen.

 

#4 Die Klon-Falle

Oft erleben wir auch, dass Entscheider bei der Besetzung ihres Führungspersonals unbewusst in die „Klon-Falle“ tappen. Die fachlichen und persönlichen Anforderungen in der Job Description orientieren sich dann sehr stark am eigenen Profil. Dabei läuft man Gefahr, entweder zwei Alpha-Tiere aufeinander loszulassen, die sich dann im ewigen Zweikampf aufreiben oder eine zu schwache Persönlichkeit auszuwählen, die wiederum als notorischer „Ja-Sager“ nicht konstruktiv-kritisch gegenhält und so eben nicht zu Innovation und Fortschritt beiträgt. Wie unsere zahlreichen Gespräche auf Geschäftsführerebene in der Industrie erkennen lassen, brauchen die Teams der Zukunft aber mehr Diversität und Flexibilität, Empathie und Agilität, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Homogene Mannschaften und Führungskonzepte von gestern können da eher nicht die Antwort für morgen sein. Die notwendige Transformation, das Ausprobieren und Wagen neuer, unerforschter Wege kann „mit dem Klonen des Bestehenden“ kaum gelingen. Die Personalabteilung sucht außerdem meist sehr nah entlang des vom Fachbereich zuvor erarbeiteten Zielsegmentes. In vielen Fällen fehlt der Überblick, wo man eine entsprechende Qualifikation auch außerhalb der eigenen Branche finden könnte. Der Personalbereich ist deshalb seltener in der Lage einen zur eigentlichen Zielsetzung noch besser passenden „Quereinsteiger“ zu finden (und auch bei Vorstand oder Geschäftsführung durchzusetzen). Zu groß mag auch die Befürchtung sein, dass aus dem Quereinsteiger dann vielleicht ein Querulant wird.

Um Ihnen zu verdeutlichen, wie wir als Berater manchmal auch konstruktiv „gegen den Strich bürsten“, möchte ich Ihnen folgende Geschichte erzählen.

Der Vorstandschef eines Automotive-Konzerns, ein Professor Dr. Ing., gab uns den Auftrag, den Senior Vice President für die Vorentwicklung zu suchen. Allerdings wollte er unbedingt einen promovierten, besser noch einen habilitierten, Naturwissenschaftler als Zielkandidaten („..der soll bitte den 3. thermodynamischen Hauptsatz runterbeten können …!“). Schließlich waren zwei unserer Kandidaten im Finale. Ein promovierter Ingenieur und ein ebenfalls fachlich kompetenter FH-Absolvent, der uns wegen seiner Persönlichkeit aber noch mehr überzeugte. Der Konzernchef sah das anders und wollte den FH-ler wegen der akademischen Defizite kurz vor der letzten Präsentation ausladen. Wir hielten mit Argumenten dagegen, konnten uns durchsetzen und das war – wie sich anhand der steilen Karriere des Kandidaten bei unserem Mandanten gezeigt hat – auch eine gute Empfehlung. Konstruktive Kritik auf Augenhöhe sowie professionelle Beratung mit Standing ist eben mehr als stupides Abarbeiten eines vorgefertigten Suchprofils.

 

#5 Außensicht auf das System.

Wie schon im Zusammenhang mit der Direktansprache erwähnt, gibt es klare Vorteile, wenn man selbst nicht Teil des Systems ist, sondern eine Außenposition hat. Ein guter Personalberater hat durch seine unvoreingenommene Sicht auf das Unternehmen, mit all seinen Akteuren, Strukturen und Zielen, einen großen Vorteil bei der Führungskräftesuche. Dadurch, dass er quasi täglich Einblick in unterschiedlichste Unternehmenskontexte und Konstellationen hat, fällt ihm auch das Herausarbeiten der speziellen Situation in der Branche und die fokussierte, klare Darstellung der mit der Besetzung verbundenen Zielsetzung leichter. „Wo kommt das Unternehmen her, was ist das strategische Ziel und was soll die zu besetzende Position zur Zielsetzung beitragen?“ Dies sind die wichtigsten Schlüsselfragen, mit denen ich versuche, mir den relevanten Kontext zu erschließen. Die Außensicht und das eigene Businessverständnis erleichtern es mir sehr, die entscheidenden Voraussetzungen für die wirkliche Passung beim Kunden zu hinterfragen. Nur wenn ich in allen wichtigen Dimensionen nicht nur verstanden, sondern auch gespürt habe, worauf es wirklich ankommt, können wir im Rahmen der Ansprache von Kandidaten eine ansprechende, spannende „Geschichte“ authentisch erzählen –  und auch ggf. glaubwürdiger, als es der Mandant selbst kann.

Auch hierzu eine kleine Anekdote aus unserem Alltag:

In einem Briefing-Gespräch für ein größeres Unternehmen im Bereich Sicherheitstechnik saßen wir mit dem Geschäftsführer und seinem Personaler zusammen. Es musste rasch eine Vakanz in der Werksleitung geschlossen werden. „Arbeiten Sie im Vorfeld mal schnell die wesentlichen Differenzierungsmerkmale unserer Firma gegenüber dem Wettbewerb heraus. Im Benchmark stehen wir ja klar besser da. Die Suche sollte also ein Selbstläufer sein,“ forderte der Geschäftsführer seinen Personaler auf. Dieser sah ihn mit großen Augen und Unverständnis im Gesicht an. Das Unternehmen hatte gerade einen Eigentümerwechsel zu verkraften, wurde von mehreren Wettbewerbern im Kernprodukt angegriffen und ordnete seine komplette Prozessstruktur neu.

Ja, das ist ein extremer, und zum Glück seltener, Fall der Realitätsverkennung. Aber gerade das kritische Herausarbeiten der speziellen Situation, das heißt: was liegt vor, wer wird gebraucht, was macht den Unterschied und worauf kommt es an, ist für jemanden, der von außen kommt, einfacher. Der Personalberater kann so eine unabhängige, moderierende Position einnehmen und bekommt diese Rolle auch eher zugeschrieben. Ein echter Berater – im Gegensatz zu einem reinen Vermittler – versteht sehr gut, welchen „Typ“ das Unternehmen in der jetzigen Situation braucht und kann die Konstellation konstruktiv, auch im Sinne des Kandidaten hinterfragen. Denn im Gegensatz zum Vermittler, der ein eher eindimensionales Interesse mit dem Fokus auf eine schnelle Besetzung hat, hat der Personalberater mehrere „Kunden“ mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Interessenlagen im Blick. Seine Aufgabe ist es allen Seiten gerecht zu werden. Der Geschäftsführung bzw. dem Fachbereich, die den aktuellen Leidensdruck einer schnellen Besetzung haben, dem Personaler, der als interner Dienstleister schnell für eine gute Lösung sorgen soll und dem ggf. wechselbereiten Kandidaten, der evtl.  aus einer sicheren Beschäftigung heraus an der ausgeschrieben Vakanz Interesse hat.

Also, wenn ich die genannten Aspekte mal zusammenfassen soll: Der Berater bringt klare Vorteile ins Spiel, aber selbstverständlich hat auch der Personalchef im Suchprozess eine sehr wichtige Funktion. Erstens ist er in der Regel derjenige, der den richtigen (oder falschen) Berater auswählt und beauftragt. Außerdem kennt er als Insider die Kultur, den Arbeitsalltag, die Machtverhältnisse und Interessenlagen im Unternehmen sehr gut, kann diese vermitteln und darauf aufbauend sein Bild vom „Idealkandidaten“ zeichnen. Im besten Fall hat er außerdem einen direkten und vertrauensvollen Draht zur Geschäftsführung und dem Fachbereich. Idealerweise arbeitet also ein funktionierendes Trio aus Geschäftsführung bzw. Fachseite, Personalleitung und einem externen Personalberater. Dieser bringt die Außensicht, die spezielle Kompetenz und sein Kontaktnetz ein. Im Sinne des gemeinsamen Projektziels einer zeitnahen, passgenauen Lösung sitzen dann alle in einem Boot. Man arbeitet Hand in Hand – man stimmt sich ab und spielt sich die Bälle zu. Jeder kennt seine Rolle und niemand „pfuscht“ dem anderen in die Arbeit, die den Besetzungsprozess nur in die Länge ziehen und auch keinen guten Eindruck bei den Kandidaten hinterlassen würde. Gerade wenn es um die Besetzung einer erfolgskritischen Führungsposition in einem komplexen Umfeld handelt, sollte jede Partei ihren jeweiligen Erfolgsbeitrag genau kennen.

 

Weiter geht es mit Staffel 2.