Wer überleben will, sollte die Zukunft nicht verschlafen

Vom verträumten Dino, der digitalen Zukunft und „hybriden“ Personalberatern.

So manchen Unternehmer beschleicht mit Blick auf die kommenden Jahre und die bereits heute um sich greifenden Veränderungen in seiner Branche ein zumindest latentes Unwohlsein. Die ungeheure Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit der sich die Geschäftswelt und der Arbeitsalltag der Menschen durch die digitale Transformation verändern, sucht seinesgleichen in der jüngeren Vergangenheit. Völlig neue, ausgeprägt kundenspezifische und hoch effiziente Geschäftsmodelle entstehen scheinbar über Nacht und bedrohen jene Unternehmen, die dieser Wandel unvorbereitet trifft, in ihrer Existenz – wie seinerzeit die Dinosaurier.

Passgenaue Suche und Auswahl von Führungspersönlichkeiten im Rahmen der Unternehmernachfolge – ein Blick hinter die Kulissen

Die Besetzung von Top Positionen in Familienunternehmen erfordert ein besonderes Einfühlungsvermögen in die komplexe Erwartungslandschaft.

Interview des BMVW mit Roland Benarey-Meisel, Senior Partner der Mentis Managementberatung.

 

Herr Benarey-Meisel, Sie sind seit 2017 als Personalberater in unserem Expertenkreis Unternehmensnachfolge aktiv. Seit vielen Jahren sind Sie als Personalberater bei der Besetzung von Top-Positionen in der mittelständischen Wirtschaft unterwegs und beraten auch Familienunternehmen beim Stabwechsel. Im Kreis unserer Mitgliedsunternehmen erleben wir immer wieder, dass die personelle Regelung der Nachfolge in Familienunternehmen in der Praxis ein ganz erhebliches Problem darstellt.

Was ist aus Ihrer Sicht bei der Besetzung von Top Positionen in Familienunternehmen von besonderer Bedeutung?

Das Wichtigste bei der Rekrutierung ist es, zu spüren und zu berücksichtigen, was bei Familienunternehmen, gerade wenn es um die Nachfolgeregelung geht, so anders ist. Familienunternehmen sind in vielerlei Hinsicht ein Kontext, der besonderen Anforderungen unterliegt, auch und gerade, wenn der Inhaber in operativer Verantwortung als Geschäftsführer agiert ……

 

… und was bedeutet das für die Kandidaten und die Suche nach solchen Persönlichkeiten?

Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, gestatten Sie mir den Hinweis, dass ich in unserem Gespräch, wenn ich von Kandidaten spreche, immer sowohl männliche als auch weibliche Bewerber meine.

Nun aber zu Ihrer Frage. Top-Positionen in Familienunternehmen erfordern ein besonderes Einfühlungsvermögen in die komplexe Erwartungslandschaft, auf die  ein Familienfremder bei Eintritt in das System trifft. So finden sich in der Geschäftsführung z.B. Personen, die gleichzeitig als Familienmitglied, Eigentümer oder Manager agieren und aus den unterschiedlichen Rollen heraus spezifische Interessen verfolgen. Außerdem ist auch das langjährig gewachsene Verhältnis der Familie zur Belegschaft zu berücksichtigen. Wir haben es also mit einem systemisch sehr komplexen, anspruchsvollen Kontext zu tun.

Fazit: Es braucht ganz besondere Fähigkeiten, spezifische Fachkompetenz und vor allem Persönlichkeiten, die sich z.B. mit Begeisterung für das Lebenswerk der Unternehmerfamilie in die Aufgabe einbringen wollen.

Der Kandidat muss ein richtiges Multi-Talent sein. Hier passgenaue Lösungen für den spezifischen Kontext zu erreichen ist einerseits besonders wichtig, andererseits aber auch besonders schwierig.

Mit einer Anzeige nach dem Motto „Wir suchen, Sie bieten, bitte hier bewerben!“ ist es sicher nicht getan.

Ein guter Personalberater kann mit seiner Expertise hier einen entscheidenden Mehrwert einbringen und ein wichtiger Partner sein.

 

Das verstehe ich. Was macht ausgehend davon aus Ihrer Sicht einen guten Personalberater aus?

Generell gilt, dass sich ein guter Personalberater im Vorfeld der eigentlichen Suche intensiv mit dem spezifischen Kontext vertraut macht. Im Fall eines Familienunternehmens sollte er in einem persönlichen Gespräch mit möglichst allen relevanten Mitgliedern des Gesellschafter- bzw. Geschäftsführungskreises deren individuelle Erwartungshaltungen kennenlernen, ein Briefing durch einen Geschäftsführer oder Familienmitglied wird in der Regel nicht ausreichen. Gerne fasse ich mein Kontextverständnis auch schriftlich kurz zusammen und übergebe dieses zur Abstimmung meinen Gesprächspartnern, die dieses „Spiegeln von außen“ in der Regel als sehr hilfreich betrachten. Ein guter Berater erkennt also die besondere Herausforderung, die im jeweiligen Kontext steckt, bringt spezifische Erfahrungen in die Lösungssuche ein und besitzt ein sicheres Gespür für Menschen und Situationen. Er erfasst hoch komplexe Konstellationen und Entscheidungsstrukturen, Ängste und Hoffnungen der Beteiligten und erarbeitet mit den Entscheidungsträgern die Schlüsselfaktoren für eine passgenaue und nachhaltige Lösung. Er muss das Bild, das er sich von Zielsetzung, Aufgabe und Kontext macht, dann nicht nur sachlich-faktenorientiert, sondern vor allem auch emotional nachspürbar an Zielpersonen vermitteln, damit er die richtigen Persönlichkeiten erreicht und von dem Thema zu begeistern vermag.

 

Wie gelingt es Ihnen, sich auf den speziellen Kontext sowie die unterschiedlichen Rollen und Motive der Beteiligten einzustellen und gemeinsam einen klaren Weg zur erfolgreichen Besetzung z.B. eines Geschäftsführers bzw. Gesellschafters für ein Familienunternehmen zu entwickeln?

Hier muss ich die ganze Klaviatur meiner Ausbildung und Erfahrung einbringen. Ein breit angelegtes Studium als Wirtschaftsingenieur, umfangreiche eigene Managementpraxis in diversen strategisch-operativen Themen, über 20 Jahre als Personalberater und mittelständischer Unternehmer sowie nicht zuletzt meine systemische Ausbildung und Praxis.

 

Was spielt denn sonst noch eine Rolle, wenn Sie z.B. einen Geschäftsführer und Unternehmensnachfolger suchen?

Auch ist zu bedenken, dass der Kandidat, der nicht aus Familienunternehmen kommt, qua Erfahrung nicht unbedingt auf die besonderen Verhältnisse und Entscheidungsprozesse vorbereitet ist. Auch die Führungsthematik im Kontext von Familienunternehmen ist anspruchsvoll, schließlich geht es um Bewahren und Verändern, um Anpassung und Durchsetzung. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es wie bei der Position des Geschäftsführers – ggf. mit Übertragung von Gesellschafteranteilen – um langfristig ausgerichtete Besetzungsthemen geht. In diesem Fall muss ich die Vision der abgebenden Familie wirklich verstehen, schließlich suche ich perspektivisch ja denjenigen, der nicht nur die „Asche bewacht“ sondern die „Glut des Gründungsfeuers“ am Leben erhält bzw. neu anfacht.

 

… und wie läuft so eine Suche in der Praxis ganz konkret ab?

In der Regel werde ich auf eine Empfehlung hin angesprochen.

In einem ersten Gespräch vor Ort lerne ich die potenziellen Auftraggeber kennen. Für diese ist es wichtig, zu erleben, ob ihr Berater die notwendigen Voraussetzungen für einen Ziel führenden und vertrauensvollen Suchprozess mitbringt. In diesem Erstgespräch erfahre ich aus authentischer Quelle wichtige Informationen z.B. zur Historie des Unternehmens, zur Vision der Familie und der mit der Besetzung verbundenen Zielsetzung, aber auch zur Kultur, der Beziehungsdynamik innerhalb der Organisation und speziellen mit der Position verbundenen Herausforderungen. Außerdem besprechen wir unseren Beratungsansatz und die Honorargestaltung.

Im Falle einer Auftragsvergabe kommt es zu einem vertiefenden Zweitgespräch ggf. in einem erweiterten Kreis. Dabei vervollständige und konkretisiere ich durch eine Vielzahl gezielter Fragen mein Bild von Struktur, Zielsetzung und Erfolgshürden sowie fachlichen und persönlichen Anforderungen an den Idealkandidaten und zur Dotierung der Position. Ich nehme die Informationen auf, agiere aber auch als konstruktiv-kritischer Sparringspartner. Das auf diese Weise entstehende, abgestimmte Positionsprofil und der vereinbarte Suchweg sind die Grundlage für unsere gezielte Suche.

Diese erfolgt in erster Linie mithilfe der Direktansprache durch unsere eigenen Search Mitarbeiter, die von mir 1:1 in den spezifischen Kontext des Projektes eingeführt werden. Eingehende Bewerbungen werden durch mich in ausführlichen Interviews auf Passung geprüft. Die vorausgewählten Kandidaten werden dann der Familie sowohl in einem sogenannten Vertraulichen Bericht als auch persönlich vor Ort vorgestellt. Dabei begleite ich die Auswahlgespräche aktiv durch den häufig mehrstufigen Prozess und tausche mich mit den Beteiligten über meine Beobachtungen aus.

 

Woran erkennen Sie im Auswahlprozess, ob der Kandidat wirklich passt?

Die fachliche Eignung ist relativ leicht gegen die Anforderungen des Positionsprofils zu prüfen. Mein besonderes Augenmerk richte ich auf die Persönlichkeitsaspekte. Ich möchte erleben, wie glaubwürdig und authentisch der Kandidat rüberkommt, wie gut er zuhört und sich auf die unterschiedlichen Gesprächspartner einstellt, woran seine Begeisterung für die Themen zu erkennen ist und vieles mehr.

Bei Bedarf und auf Wunsch mancher Klienten ergänzen wir unsere Beobachtungen durch psychologische Eignungstests oder durch Referenzen.

 

Was sind denn für Sie persönlich „Erfolgsmeldungen“ nach einem abgeschlossenen Beratungsprojekt?

Da ich über den gesamten Prozess hinweg und auch nach Projektabschluss einen engen, vertrauensvollen Kontakt zu Kandidaten und Kunden halte, bekomme ich zeitnah Rückmeldung, ob sich alles entlang der jeweiligen Erwartungen entwickelt. Letztlich glücklich macht mich dann ein erfolgreiches Agieren meines Kandidaten und ein „zufriedenes Lächeln“ auf beiden Seiten.

 

Ihr Vorgehen ist aufwendig und klingt überzeugend, aber: Kann sich ein mittelständisches Familienunternehmen eine solche professionelle Begleitung denn überhaupt leisten? Was für ein Honorar berechnen Sie?

Wir gehören sicher nicht zu den Discountern unter den Personalberatern, sind allerdings auch mit sehr viel mehr Tiefgang unterwegs. Unser Honorar, das wir in drei Tranchen in Rechnung stellen, entspricht dem anderer Top Berater.

 

Damit können sich ggf. nur größere Unternehmen einen solchen professionellen Service wirklich leisten. Das ist ja die Regel für professionelle Beratung und Begleitung, die eben auch adäquat vergütet werden muss. Sehe ich das richtig?

Ja, das stimmt. Wegen der hohen „Kosten“ einer möglichen Fehlbesetzung, ich denke da an das Signal in die Belegschaft, den wirtschaftlichen Erfolg sowie den Ruf des Unternehmens bei Banken, Kunden und Lieferanten, gilt sicher auch hier die Lebensweisheit, dass sich das Sparen an der falschen Stelle meist nicht auszahlt.

 

Haben Sie aber vielleicht dennoch einige Tipps für die anderen Familienunternehmen, was man bei der Nachfolgersuche unbedingt beachten und was man unbedingt lassen sollte?

Eine Besetzung aus dem Kreis der „Freunde oder guten Bekannten“ oder aufgrund von Empfehlungen aus dem Kontaktnetz ohne Einschaltung eines in der Personalauswahl erfahrenen Experten, wäre m.E. mit großen Risiken verbunden und sicher nicht zu empfehlen.

Um den Aufwand zunächst zu begrenzen, könnte ein im Einzelfall sinnvolles Vorgehen und gangbarer Kompromiss darin bestehen, vor der Vergabe eines kompletten Suchauftrages an einen professionellen Personalberater eigene Vertrauenspersonen um Empfehlungen aus deren Kontaktnetz zu bitten und den Personalberater im ersten Schritt nur mit der Unterstützung bei der Endauswahl der Kandidaten zu beauftragen.

 

Was passiert, wenn es einmal doch nicht passen sollte und man sich von Ihrem Kandidaten trennen muss?

In unserer vertraglich zugesicherten Gewährleistung verpflichten wir uns zur honorarfreien Neusuche, falls unser Kunde sich während der ersten 6 Monate vom Kandidaten trennt. Da wir uns sehr viel Mühe bei der passgenauen Suche und Auswahl geben, kommt dieser Fall glücklicherweise sehr selten vor.

 

Herr Benarey-Meisel, herzlichen Dank für das Gespräch!